Kennen Sie diesen Moment, wenn alles, woran Sie geglaubt haben, plötzlich in Scherben liegt? Wenn die Hoffnung, die Sie jahrelang getragen hat, unter Ihren Händen zerbröselt wie trockene Erde? Die Jünger Jesu kannten dieses Gefühl nur zu gut.
Stellen wir uns die Szene am See Genezareth vor. Ein kühler Morgen, Nebelschwaden tanzen über dem Wasser. Sieben Männer in einem Boot, ihre Hände rau von der nächtlichen Arbeit, ihre Netze leer, ihr Herz schwer von einer Geschichte, die sie nicht verstehen.
Diese Männer waren einst dem Ruf Jesu gefolgt. Sie hatten ihre Boote, ihre Netze, ihre Familien zurückgelassen, um ihm nachzufolgen. „Kommt mit mir,“ hatte Jesus gesagt, „ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Und sie kamen. Drei Jahre lang.
Drei Jahre. Denken Sie einmal darüber nach. Drei Jahre, in denen die Jünger miterlebten, wie Jesus Blinde sehend machte, wie er Brot vermehrte, wie er von einem Reich Gottes sprach, das so ganz anders war als alles, was sie kannten. Drei Jahre, in denen sie hofften – endlich war er da, auf den sie gewartet hatten, der alles verändern würde.
Und dann kam Golgatha. Ein Holzkreuz gegen den Himmel. Und mit jedem Hammerschlag, der die Nägel in sein Fleisch trieb, zersplitterte ihre Hoffnung. Petrus, der große Wortführer, verleugnete seinen Meister dreimal. „Ich kenne diesen Menschen nicht,“ sagte er. Wie oft haben auch wir das gesagt, wenn der Glaube unbequem wurde?
Nach der Kreuzigung waren sie zurückgekehrt zu dem, was sie kannten: dem Fischen. Ist es nicht oft so im Leben? Wenn unsere großen Träume zerplatzen, flüchten wir uns in die Routine, in das Vertraute. Wir gehen zurück zu dem, was wir können, zu dem, was uns Sicherheit gibt.
Doch ihre Netze blieben leer. Eine ganze Nacht des Fischens, und nichts. Manchmal scheint es, als ob selbst das, was wir am besten können, uns im Stich lässt, wenn wir innerlich zerrissen sind.
Und dann steht da ein Mann am Ufer. „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“, ruft er. „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus.“ Sie tun es, vielleicht aus Verzweiflung, vielleicht aus einem Funken Hoffnung. Und plötzlich ist das Netz so voll mit Fischen, dass sie es kaum ins Boot ziehen können.
Johannes erkennt ihn zuerst. „Es ist der Herr!“ Und Petrus – impulsiv wie immer – springt ins Wasser, um schneller bei Jesus zu sein.
Am Ufer erwartet sie ein Frühstück. Feuer, Brot, Fisch. Jesus dient ihnen. Der Auferstandene bereitet denen ein Mahl, die ihn verlassen haben. Ist das nicht das Wesen der Gnade? Dass sie uns dort findet, wo wir sind – nicht dort, wo wir sein sollten?
Und dann fragt Jesus dreimal: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ Dreimal – genau wie Petrus ihn dreimal verleugnet hatte. Es ist, als ob Jesus ihm die Gelegenheit gibt, jede Verleugnung mit einem Bekenntnis zu überschreiben. „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Was bedeutet diese Geschichte für uns heute? Ich denke, sie zeigt uns mehrere tiefe Wahrheiten:
Erstens: Der auferstandene Christus erscheint oft dort, wo wir ihn am wenigsten erwarten – in der Routine unseres Alltags, an den Ufern unserer gescheiterten Hoffnungen. Mitten in unserem gewöhnlichen Leben kann er uns begegnen.
Zweitens: Manchmal müssen wir unsere Netze auf der anderen Seite auswerfen. Wie oft halten wir an dem fest, was wir immer getan haben, obwohl es keine Frucht bringt? Jesus fordert uns auf, eine neue Perspektive zu wagen, eine andere Richtung einzuschlagen.
Drittens: Nach dem Scheitern gibt es immer die Möglichkeit eines neuen Anfangs. Petrus, der Jesus verleugnet hatte, wird zum Fels der Kirche. Unsere größten Fehler sind nicht das Ende unserer Geschichte.
Und schließlich: Die Mission geht weiter. „Weide meine Lämmer,“ sagt Jesus zu Petrus. Die Berufung ist erneuert, aber sie ist nicht mehr dieselbe. Sie ist jetzt geprägt von der Erfahrung des Scheiterns und der Auferstehung. Sie ist tiefer geworden, reifer.
Liebe Gemeinde, wir alle sind in gewisser Weise wie diese Jünger. Wir kennen Begeisterung und Enttäuschung, Hoffnung und Verzweiflung, Hingabe und Verrat. Wir wissen, wie es sich anfühlt, wenn unsere Netze leer bleiben.
Aber die Botschaft der Auferstehung ist: Es geht weiter. Der auferstandene Christus steht am Ufer und ruft uns zu. Er bereitet uns ein Mahl. Er vergibt uns. Und er sendet uns wieder hinaus.
Vielleicht befinden Sie sich gerade in einer Phase der leeren Netze. Vielleicht haben Sie Jesus schon dreimal verleugnet. Vielleicht haben Sie die Hoffnung aufgegeben und sind zurückgekehrt zu dem, was Sie kennen.
Aber ich lade Sie ein, noch einmal hinauszufahren und Ihr Netz auszuwerfen – vielleicht auf der anderen Seite. Denn der Auferstandene wartet auf Sie, mit einem Feuer am Ufer und der Frage, die alles verändert: „Liebst du mich?“
Möge Gott Ihnen die Kraft geben, mit Petrus zu antworten: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe.“
P. Oliver Heck