(Auslegung zu Ex 3,1-8a.13-15, 1. Lesung am 3. Fastenso. – C)
Ein lieber Mensch schenkt durch seine Nähe Trost und vertreibt die Einsamkeit. Er bereichert unser Leben durch seine treue Begleitung, geht mit uns durch Höhen und Tiefen. Solch ein Freund ist wahrhaft unbezahlbar. In schweren Stunden schenkt er ein offenes Ohr und Verständnis. Seine Ratschläge kommen aus einem mitfühlenden Herzen – weder bevormundend noch gleichgültig. In Zeiten der Not erkennen wir, wer wirklich zu uns steht. Der echte Freund bleibt an unserer Seite, während der falsche nur seinen eigenen Vorteil sucht.
Doch selbst der treueste Freund hat Grenzen. Wir Menschen können nicht überall zugleich sein. Unsere Verfügbarkeit ist begrenzt durch Zeit und Raum.
Gott hingegen ist anders. Seine Gegenwart kennt keine Grenzen. Er ist immer und überall da – hier und jetzt. Wenn wir einen menschlichen Freund sehen und hören, wissen wir: Er ist anwesend. Sehen wir ihn nicht, ist er fort. Bei Gott ist es grundlegend anders. Seine Gegenwart hängt nicht von unserem Empfinden ab. Er ist nicht nur da, wenn wir seine Nähe spüren, sondern gerade auch dann, wenn er uns abwesend erscheint. In den Momenten, wo wir ihn nicht wahrnehmen, trägt er uns besonders.
Dies erinnert an die Geschichte einer Frau, die auf ihr Leben zurückblickte. Ihr Lebensweg erschien ihr wie Spuren im Sand am Meeresstrand. Sie sah zwei Spuren nebeneinander – ihre eigenen kleinen Fußabdrücke und daneben die Spuren Gottes, der sie an der Hand hielt. An manchen Stellen erkannte sie jedoch nur eine Spur. Vorwurfsvoll fragte sie: „Siehst du, ich habe es geahnt. In jenen schweren Jahren hast du mich verlassen.“ Gott antwortete liebevoll: „Nein, meine Liebe. Das waren die Zeiten, in denen ich dich getragen habe, weil du nicht mehr alleine gehen konntest.“
Gottes Zusage „Ich-bin-da“ ist von unermesslichem Trost. Es ist die vollkommene Garantie seiner Präsenz. Zwar können auch Menschen uns ihre Anwesenheit zusichern, und viele von uns erfahren die liebevolle Nähe besonders intensiv durch Mutter oder Vater. Doch Gottes Dasein übersteigt jede menschliche Gegenwart.
Seine Präsenz bedeutet, dass die Fülle des Lebens und der Liebe beständig ist. Alles Geschaffene durchläuft einen Kreislauf – es entsteht, blüht auf und vergeht wieder. Alles Geschöpfliche ist unvollkommen und vom „Nichts“ bedroht. Gottes Gegenwart jedoch gleicht einem Feuer, das wärmt und erleuchtet, ohne zu zerstören.
Genau das sehen wir im brennenden Dornbusch: Das Feuer brannte, verzehrte aber den Dornbusch nicht. Die zerstörerische Kraft des Feuers war aufgehoben. Wie lebendig ist ein Feuer! Es fasziniert uns mit seinem ständigen Wandel von Formen und Farben. Es birgt gewaltige Kraft und bleibt doch oft erstaunlich still.
Dieses Bild hilft uns, Gottes Gegenwart in unserem Leben zu verstehen. Seit unserer Taufe wohnt der Heilige Geist in uns. Er wirkt wie dieses besondere Feuer: Er erwärmt unser Herz und erleuchtet unseren Verstand. Dieses göttliche Feuer kann machtvoll in uns wirken und unsere Liebe entfachen, ohne uns jemals zu schaden. Es ist kein verzehrendes, sondern ein belebendes Feuer – Gottes ewiges „Ich-bin-da“ in unserer Mitte.
von P. Oliver Heck