Palmsonntag: Vom Einzug nach Jerusalem bis zum Kreuz

zu Lk 22,14 – 23, 56

Der Palmsonntag markiert den Beginn der Heiligen Woche – jener Zeit, in der wir Jesus auf seinem Weg vom triumphalen Einzug in Jerusalem bis hin zu seinem Leiden und Sterben am Kreuz begleiten. Dieser Weg ist geprägt von tiefen Kontrasten: Jubel und Ablehnung, Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod.

Der Einzug in Jerusalem – ein missverstandener König

Als Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog, jubelten ihm die Menschen zu: „Hosianna! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Sie legten Palmzweige und sogar ihre Kleider auf den Weg. Doch was erwarteten sie? Einen mächtigen König, der die römische Herrschaft abschütteln würde. Einen politischen Befreier.

Jesus kam jedoch als ein anderer König. Nicht hoch zu Ross, nicht mit Waffen und Heer, sondern auf einem Esel – dem Lasttier der einfachen Menschen. Er kam nicht, um politische Macht zu erringen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben.

Der Weg zum Kreuz – die Umkehrung unserer Werte

In wenigen Tagen wandelte sich der Jubel in Ablehnung. „Kreuzige ihn!“ riefen dieselben Menschen, die zuvor noch „Hosianna!“ gerufen hatten. Der Weg Jesu führte nicht zum Thron, sondern zum Kreuz – einem Symbol der Schande und des Versagens in den Augen der Welt.

Dieser Weg fordert uns heraus, unsere eigenen Wertvorstellungen zu überdenken:

  • Jesus zeigt uns, dass wahre Stärke im Dienen liegt, nicht im Herrschen
  • Dass Gottes Wege oft anders sind als unsere Erwartungen
  • Dass das wahre Leben manchmal durch Loslassen und Sterben hindurch gefunden wird

Was bedeutet Jesu Leiden für uns heute?

Das Leiden Jesu war kein tragischer Unfall der Geschichte. Es war Gottes Weg, um uns die Tiefe seiner Liebe zu zeigen und uns mit sich zu versöhnen. Was bedeutet dies für uns heute?

1. Eine neue Sicht auf Leid Jesus ist nicht am Leid vorbeigegangen, sondern hat es durchschritten. Wenn wir heute leiden, sind wir nicht allein. Gott kennt das Leid aus eigener Erfahrung. Er geht mit uns durch die dunkelsten Täler unseres Lebens.

2. Hoffnung inmitten von Zerbruch In einer Welt voller Konflikte, Kriege und persönlicher Krisen zeigt uns das Kreuz: Selbst der dunkelste Moment ist nicht das Ende. Gott kann aus Tod Leben schaffen, aus Scheitern einen Neuanfang.

3. Eine Revolution der Liebe Jesus hat am Kreuz das Prinzip von Hass und Vergeltung durchbrochen. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Diese radikale Liebe inmitten des Leidens fordert uns heraus, anders zu leben – versöhnend statt vergeltend, liebend statt hassend.

4. Ein neuer Blick auf Macht In unserer Welt, die nach Einfluss, Status und Kontrolle strebt, zeigt uns Jesus am Kreuz eine andere Art von Macht – die Macht der Hingabe und Selbstaufopferung. Wahre Größe findet sich im Dienen, nicht im Beherrschen.

Der Palmsonntag als Einladung

Der Palmsonntag lädt uns ein, uns zu fragen: Welchem König folgen wir? Dem König, der unsere Erwartungen erfüllt und unsere Wünsche bestätigt? Oder dem König, der uns herausfordert, umzudenken und neue Wege zu gehen?

Jesus fordert uns auf, nicht nur mit Palmzweigen am Wegesrand zu stehen, sondern ihm auf seinem Weg zu folgen – einem Weg, der durch Leiden und Tod hindurch zum Leben führt. Ein Weg, der uns verändert und die Welt um uns herum erneuern kann.

In dieser Heiligen Woche sind wir eingeladen, mit Jesus zu gehen – Schritt für Schritt, von Palmsonntag bis Ostern, vom Jubel über die Trauer bis hin zur Freude der Auferstehung. Denn genau diesen Weg geht Gott mit uns durch unser Leben – in guten wie in schweren Zeiten.

P. Oliver Heck