Schlagwort: Hoffnung

  • Zwischen Himmel und Erde: zum Fest Christi Himmelfahrt

    zum Evangelium nach Lukas,Christi Himmelfahrt

    Wenn wir heute das Fest Christi Himmelfahrt feiern, stehen wir vor einem der rätselhaftesten Ereignisse unseres Glaubens. Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Auferstehung und Himmelfahrt sprechen? Wenn wir uns nach diesem Gottesdienst begegnen würden und ins Gespräch kämen, würden vermutlich sehr unterschiedliche Vorstellungen zutage treten. Und das ist nicht nur in Ordnung – es ist menschlich. Denn seit zweitausend Jahren ringen Menschen mit diesen Geheimnissen, und ihre Antworten spiegeln sich in der Vielfalt christlicher Traditionen wider.

    Die barocke Antwort auf das Leid

    Denken Sie einmal an eine barocke Kirche, die Sie vielleicht besucht haben. Diese Räume strahlen Triumph aus: lichtdurchflutet, in strahlendem Weiß und Gold gehalten, mit einem eher kleinen Kreuz irgendwo an der Seite. Der Barock feierte die Überwindung des Leides, die Verherrlichung Christi. An den Decken dieser Kirchen öffnen sich oft gemalte Himmel – kunstvolle Illusionen, die den Blick nach oben lenken, als könne man durch die Kirchendecke direkt in Gottes Herrlichkeit schauen. Da thront die Dreifaltigkeit mit Maria, darunter jubilieren die Engel, noch eine Etage tiefer versammeln sich die Heiligen in himmlischer Ordnung.

    Diese überschwängliche Kunst ist aus tiefstem Leid geboren. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach Jahrzehnten von Plünderung, Gewalt, Hunger und Pest, nach dem Aussterben ganzer Dörfer, sehnten sich die Menschen nach Licht, nach Hoffnung, nach einer Gewissheit, dass all das Grauen nicht das letzte Wort haben würde. Die barocke Kirche wurde zur Antwort auf eine traumatisierte Gesellschaft – ein Raum, in dem das Leid nicht geleugnet, aber überwunden dargestellt wurde.

    Zwischen Sehnsucht und Skepsis

    Heute leben wir in einer anderen Zeit. Wir können uns solche bildhaften, fast plakative Vorstellungen von der jenseitigen Welt kaum noch zu eigen machen. Wir wissen: Jesu Himmelfahrt war keine Raumfahrt. Er ist eingegangen in eine Dimension, die sich unserem Begreifen entzieht – eine Wirklichkeit, von der wir bestenfalls eine Ahnung haben können. Unser menschliches Verstehen stößt hier an seine Grenzen. Bezeichnenderweise hat Jesus selbst diese Welt nie detailliert beschrieben. Er deutete nur an: Es wird eine Welt ohne Leid sein, eine Welt des Friedens.

    Nicht wenige Menschen unserer Zeit haben den Glauben an eine Auferstehung aufgegeben. Manche aus bitteren Erfahrungen heraus, andere aus intellektueller Redlichkeit. Ich erinnere mich an eine Frau, die mir einmal sagte: „Ich würde so gerne glauben, aber ich kann einfach nicht.“ In diesen Worten lag eine tiefe Melancholie, aber auch – und das ist bemerkenswert – bereits eine Form des Glaubens. Denn wer sich nach dem Glauben sehnt, bejaht ihn bereits in gewisser Weise.

    Andere Menschen schützen sich vor Enttäuschung, indem sie lieber an gar nichts glauben, als sich dem Risiko auszusetzen, an etwas so Unfassbares wie die Auferstehung zu glauben. Es sind oft Menschen, die bereits zu viele schmerzliche Enttäuschungen erlebt haben. Sie fürchten nichts so sehr wie eine weitere Desillusionierung.

    Das Wagnis des Glaubens

    Der Glaube bleibt ein Wagnis – daran führt kein Weg vorbei. Man richtet sein Leben danach aus, lehnt sich weit hinaus, vertraut auf etwas, das sich nicht beweisen lässt: auf ein ewiges Leben. Und damit nimmt man in Kauf, dass unser gegenwärtiges Leben im Vergleich dazu möglicherweise nur ein Bruchteil dessen ist, was uns erwartet.

    Aber wie können wir Menschen begegnen, die zweifeln? Ich möchte Ihnen eine Perspektive anbieten: Selbst, wenn Zweifel an der Auferstehung bestehen, lohnt es sich zu glauben. Nicht aus blindem Vertrauen heraus, sondern aus einer sehr praktischen Erkenntnis: Die Hoffnung auf Auferstehung macht das Leben spürbar reicher und sinnvoller.

    Der Glaube als Lebenshilfe und Lebensaufgabe

    Durch den Glauben können wir dem, was sonst sinnlos erscheint, Bedeutung verleihen. Wir tragen einen letzten Rettungsanker bei uns – einen, der greift, wenn alle anderen Sicherheiten versagen. Menschen, die glauben, leben nachweislich mit mehr Gelassenheit und oft sogar gesünder.

    Aber Vorsicht: Das ist keine billige Vertröstung. Der Glaube an die Auferstehung darf niemals dazu missbraucht werden, gegenwärtiges Leid zu rechtfertigen oder zu ignorieren. Im Gegenteil: Er verpflichtet uns, Leiden zu lindern, wo immer wir können. Er macht uns zu Mitarbeitern an Gottes neuer Welt, die bereits hier und jetzt beginnt.

    Ein Glaube für unsere Zeit

    Liebe Christen, Christi Himmelfahrt erinnert uns daran, dass unser Glaube zwischen Himmel und Erde gespannt ist. Wir leben in der Spannung zwischen dem, was ist, und dem, was sein wird. Zwischen dem Leid, das wir erfahren, und der Hoffnung, die uns trägt. Zwischen dem Zweifel, der uns ehrlich macht, und dem Vertrauen, das uns stark macht.

    Es geht nicht darum, dass wir alle identische Vorstellungen vom Himmel haben. Es geht darum, dass wir gemeinsam dem vertrauen, der gesagt hat: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten.“ Und bis dahin sind wir gerufen, seine Liebe in dieser Welt sichtbar zu machen – als Menschen, die eine Hoffnung haben, die über das Sichtbare hinausreicht.


    P. Oliver Heck

  • Die Verklärung Jesu: Gebet verwandelt

    Anregung zur Verklärung Jesu nach Lukas

    Jesus steigt auf einen Berg und betet intensiv. Während er betet, verändert sich sein Aussehen. Er leuchtet, er strahlt so weiß wie die Sonne. Aus einer Wolke ertönt die göttliche Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Die drei Jünger, die dabei sind, kommen aus dem Staunen nicht heraus. Jesus verbietet ihnen, davon zu reden, bevor er von den Toten auferstanden sei.

    Liebe Gemeinde,

    Haben Sie schon einmal einen Moment erlebt, der die Zeit stillstehen ließ? Einen Augenblick, in dem Sie spürten, dass Sie Zeuge von etwas Außergewöhnlichem wurden? So muss es Petrus, Johannes und Jakobus ergangen sein auf dem Berg Tabor.

    Berg der Hoffnung

    Warum nahm Jesus gerade diese drei Jünger mit? Vor ihm lag das Drama seines Leidens und seiner Kreuzigung – eine Dunkelheit, deren Schatten bereits auf seinen Weg fiel. In unserer eigenen Lebenswirklichkeit kennen wir diese Schatten: Eine schwere Diagnose, zerbrochene Beziehungen, die lähmende Angst vor einer ungewissen Zukunft.

    Jesus wollte seinen Jüngern erfahrbar zeigen: „Leid und Tod werden nicht das letzte Wort haben.“ Die Verklärung öffnete für einen kurzen Moment ein Fenster in eine tiefere Wirklichkeit – einen Vorgeschmack auf das Leben, das über alle Dunkelheit hinausreicht. Nicht als Vertröstung, sondern als Kraftquelle für den Weg durch die Tiefe von Golgatha.

    Die verwandelnde Kraft des Gebetes

    Jesus betete, und daraufhin wurde er leuchtend. Die Evangelien berichten immer wieder, wie Jesus sich zum Gebet zurückzog – nicht als religiöse Pflichtübung, sondern als existenzielle Verbindung zu seinem Vater.

    Kennen Sie diese Momente, in denen wir innerlich ausgelaugt sind, gefangen im Hamsterrad unserer Verpflichtungen? Gerade dann lädt uns die Verklärungsgeschichte ein, innezuhalten.

    Das Gebet verändert uns. Nicht spektakulär, nicht sofort sichtbar wie bei Jesus auf dem Berg. Aber stetig und tiefgreifend. Es ist wie bei einer Freundschaft – sie wächst durch regelmäßige, aufmerksame Zuwendung.

    Eine Frau erzählte: „Nach dem Tod meines Mannes fühlte ich mich wie in einem dunklen Tunnel. Ich konnte nicht mehr beten, nur noch schweigen. Aber in diesem Schweigen vor Gott spürte ich langsam wieder Boden unter den Füßen. Nicht weil sich meine Umstände änderten, sondern weil sich mein Blick veränderte.“

    Neue Perspektive

    Wenn wir uns regelmäßig in die Gegenwart Gottes begeben, beginnen wir, unser Leben in einem anderen Licht zu sehen. Vieles, dem wir im Alltag nachjagen, verliert an Bedeutung.

    Diese veränderte Perspektive schenkt eine tiefe Gelassenheit. Nicht eine naive Sorglosigkeit, sondern ein Vertrauen, das Probleme anders einordnet. „Nicht dass ich den Stürmen des Lebens entgehe,“ sagte mir ein älteres Gemeindemitglied, „aber ich weiß, wer mit mir im Boot sitzt.“

    Im Gebet öffnet sich unser Herz auch für die Menschen um uns herum. Wir beginnen, sie mit anderen Augen zu sehen – nicht mehr als Konkurrenten, sondern als Menschen mit ihrer eigenen Geschichte und Sehnsucht. Wir nehmen sie mit in unser Gebet: „Herr, mein Nachbar ist krank. Stehe ihm bei. Zeige ihm, dass er nicht alleine ist…“

    Der Abstieg vom Berg

    Der Evangelist berichtet, dass nach diesem überwältigenden Erlebnis der Alltag wieder begann. Jesus und die Jünger stiegen vom Berg hinab, zurück in die Niederungen des Lebens, und schließlich nach Jerusalem, zum Kreuz.

    Die Verklärung will uns nicht auf dem Berg zurücklassen, in einer weltabgewandten Spiritualität. Sie will uns Kraft geben für den Abstieg, für den Weg durch die Täler unseres Lebens. Sie will uns Hoffnung schenken, wenn der Glaube zu verblassen droht.

    Liebe Gemeinde, wir sind eingeladen, uns von diesem Licht berühren zu lassen. Nicht um selbst zu glänzen, sondern um dieses Licht weiterzutragen – in die dunklen Ecken unserer Welt, in die Verzweiflung derer, die am Ende ihrer Kraft sind, in die Einsamkeit der Vergessenen.

    Die Verklärung Jesu ist keine fromme Geschichte aus vergangenen Zeiten. Sie ist die Verheißung, dass wir nicht allein sind in dieser manchmal kalten Welt, sondern getragen von einer Liebe, die stärker ist als der Tod.

    P. Oliver Heck

  • Gott wird Mensch – Auslegung zum 2. So. in der Weihnachtszeit (5.1.25)

    Wir sind vor einigen Tage in das neue Jahr gestartet, und das Weihnachtsfest liegt hinter uns. Vielleicht ist jetzt ein guter Moment, innezuhalten und uns erneut die Bedeutung von Weihnachten bewusst zu machen: Gott wird Mensch. Dieses große Geheimnis beschreibt das Evangelium nach Johannes mit den Worten: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14).

    Johannes beginnt sein Evangelium fast wie eine philosophische Abhandlung. Er verwendet das Wort „logos“ – ein Begriff, der mehr bedeutet als unser deutsches „Wort“. Logos umfasst Gedanken, Vernunft, Ordnung – eine Idee, die das gesamte Universum durchzieht. Johannes drückt damit aus: Gott wollte uns nicht fern bleiben, nicht nur ein abstraktes Prinzip sein. Er wollte sich uns mitteilen – uns nahe sein, unser Leben berühren. Das ist aber nicht nur eine Mitteilung es geht um viel mehr: Gottes Wesen verwirklichte sich im Menschen Jesus Christus.

    Gott teilt sich mit

    Gott suchte schon immer die Verbindung zu uns Menschen. In der Geschichte des Volkes Israel, durch Propheten und Gesetze, durch Zeichen und Wunder versuchte er, seine Liebe und seinen Willen zu zeigen. Doch oft blieb die Botschaft unverstanden, oft blieb Gott ferne und unbegreiflich.

    So wählte er den radikalsten Weg: Er selbst wurde Mensch. In Jesus Christus begegnet uns nicht nur ein Lehrer oder ein Prophet. In ihm begegnet uns Gott selbst. Jesus erzählte von Gottes Gedanken und seiner Liebe, er zeigte uns, was es heißt, zu lieben, zu vergeben, sich für andere hinzugeben. Mehr noch: Er lebte es vor. Gott teilte sich uns mit, indem er sich auf unser Menschsein einließ. In Jesus wurde Gott ein Kind, ein Handwerker, ein Freund. Gott wurde einer von uns.

    Das Licht in der Finsternis

    Johannes beschreibt das Kommen Jesu auch als das Licht, das in die Finsternis scheint. Die Welt, wie Johannes sie erlebte, war voller Dunkelheit: Verfolgung, Leid, Verwirrung und Ungerechtigkeit. Wenn man in unsere Welt blickt ist das ähnlich. Aber das Licht Jesu erleuchtete diese Dunkelheit. Er zeigte einen Weg, er brachte Hoffnung.

    Denken wir an die Zeit, in der Johannes lebte. Es gab kein elektrisches Licht. Nachts war es dunkel, und ein Licht bedeutete Sicherheit, Orientierung, Leben. Ein Licht, das den Weg nach Hause weist, war damals etwas Kostbares. Genau das ist Jesus für uns: Er ist das Licht, das uns Orientierung gibt inmitten der Verwirrungen dieser Welt. Seine Worte und sein Leben zeigen uns, was wahr ist, was zählt, und wie wir leben können, um einander und uns selbst gerecht zu werden.

    Was bedeutet das für uns heute?

    Die Botschaft des Johannes ist aktueller denn je. Auch wir erleben eine Welt, die oft dunkel erscheint. Konflikte, Einsamkeit, Kriege, Krisen …  – vieles belastet uns. Doch Johannes erinnert uns daran: In dieser Dunkelheit gibt es ein Licht. Jesus Christus ist gekommen, um unser Leben zu erhellen, um uns Hoffnung zu schenken.

    Wenn wir uns fragen, was der Sinn unseres Lebens ist, wenn wir nicht wissen, welchen Weg wir gehen sollen, wenn die Herausforderungen des Alltags uns erdrücken – dann dürfen wir uns an das Licht wenden, das mit Weihnachten in die Welt gekommen ist. Jesus zeigt uns den Weg zu Gott und zu einem Leben, das erfüllt ist von Liebe und Wahrheit.

    Zusammenfassung

    „Das Wort ist Fleisch geworden“ – das bedeutet: Gott hat sich uns in Jesus Christus selbst mitgeteilt. Er wurde Mensch, um uns nahe zu sein, um uns zu verstehen und zu erlösen. Und „das Licht kam in die Welt“ – das heißt: In Jesus sehen wir die Wahrheit, die Orientierung und die Hoffnung, die wir brauchen.

    Nehmen wir diese Botschaft mit in das neue Jahr. Lassen wir uns vom Licht Jesu leiten, damit wir selbst zu einem Licht für andere werden. Amen.

    P. Oliver Heck SVD