Anregung zur Verklärung Jesu nach Lukas
Jesus steigt auf einen Berg und betet intensiv. Während er betet, verändert sich sein Aussehen. Er leuchtet, er strahlt so weiß wie die Sonne. Aus einer Wolke ertönt die göttliche Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Die drei Jünger, die dabei sind, kommen aus dem Staunen nicht heraus. Jesus verbietet ihnen, davon zu reden, bevor er von den Toten auferstanden sei.
Liebe Gemeinde,
Haben Sie schon einmal einen Moment erlebt, der die Zeit stillstehen ließ? Einen Augenblick, in dem Sie spürten, dass Sie Zeuge von etwas Außergewöhnlichem wurden? So muss es Petrus, Johannes und Jakobus ergangen sein auf dem Berg Tabor.
Berg der Hoffnung
Warum nahm Jesus gerade diese drei Jünger mit? Vor ihm lag das Drama seines Leidens und seiner Kreuzigung – eine Dunkelheit, deren Schatten bereits auf seinen Weg fiel. In unserer eigenen Lebenswirklichkeit kennen wir diese Schatten: Eine schwere Diagnose, zerbrochene Beziehungen, die lähmende Angst vor einer ungewissen Zukunft.
Jesus wollte seinen Jüngern erfahrbar zeigen: „Leid und Tod werden nicht das letzte Wort haben.“ Die Verklärung öffnete für einen kurzen Moment ein Fenster in eine tiefere Wirklichkeit – einen Vorgeschmack auf das Leben, das über alle Dunkelheit hinausreicht. Nicht als Vertröstung, sondern als Kraftquelle für den Weg durch die Tiefe von Golgatha.
Die verwandelnde Kraft des Gebetes
Jesus betete, und daraufhin wurde er leuchtend. Die Evangelien berichten immer wieder, wie Jesus sich zum Gebet zurückzog – nicht als religiöse Pflichtübung, sondern als existenzielle Verbindung zu seinem Vater.
Kennen Sie diese Momente, in denen wir innerlich ausgelaugt sind, gefangen im Hamsterrad unserer Verpflichtungen? Gerade dann lädt uns die Verklärungsgeschichte ein, innezuhalten.
Das Gebet verändert uns. Nicht spektakulär, nicht sofort sichtbar wie bei Jesus auf dem Berg. Aber stetig und tiefgreifend. Es ist wie bei einer Freundschaft – sie wächst durch regelmäßige, aufmerksame Zuwendung.
Eine Frau erzählte: „Nach dem Tod meines Mannes fühlte ich mich wie in einem dunklen Tunnel. Ich konnte nicht mehr beten, nur noch schweigen. Aber in diesem Schweigen vor Gott spürte ich langsam wieder Boden unter den Füßen. Nicht weil sich meine Umstände änderten, sondern weil sich mein Blick veränderte.“
Neue Perspektive
Wenn wir uns regelmäßig in die Gegenwart Gottes begeben, beginnen wir, unser Leben in einem anderen Licht zu sehen. Vieles, dem wir im Alltag nachjagen, verliert an Bedeutung.
Diese veränderte Perspektive schenkt eine tiefe Gelassenheit. Nicht eine naive Sorglosigkeit, sondern ein Vertrauen, das Probleme anders einordnet. „Nicht dass ich den Stürmen des Lebens entgehe,“ sagte mir ein älteres Gemeindemitglied, „aber ich weiß, wer mit mir im Boot sitzt.“
Im Gebet öffnet sich unser Herz auch für die Menschen um uns herum. Wir beginnen, sie mit anderen Augen zu sehen – nicht mehr als Konkurrenten, sondern als Menschen mit ihrer eigenen Geschichte und Sehnsucht. Wir nehmen sie mit in unser Gebet: „Herr, mein Nachbar ist krank. Stehe ihm bei. Zeige ihm, dass er nicht alleine ist…“
Der Abstieg vom Berg
Der Evangelist berichtet, dass nach diesem überwältigenden Erlebnis der Alltag wieder begann. Jesus und die Jünger stiegen vom Berg hinab, zurück in die Niederungen des Lebens, und schließlich nach Jerusalem, zum Kreuz.
Die Verklärung will uns nicht auf dem Berg zurücklassen, in einer weltabgewandten Spiritualität. Sie will uns Kraft geben für den Abstieg, für den Weg durch die Täler unseres Lebens. Sie will uns Hoffnung schenken, wenn der Glaube zu verblassen droht.
Liebe Gemeinde, wir sind eingeladen, uns von diesem Licht berühren zu lassen. Nicht um selbst zu glänzen, sondern um dieses Licht weiterzutragen – in die dunklen Ecken unserer Welt, in die Verzweiflung derer, die am Ende ihrer Kraft sind, in die Einsamkeit der Vergessenen.
Die Verklärung Jesu ist keine fromme Geschichte aus vergangenen Zeiten. Sie ist die Verheißung, dass wir nicht allein sind in dieser manchmal kalten Welt, sondern getragen von einer Liebe, die stärker ist als der Tod.
P. Oliver Heck