Von der Verklärung zum Alltag: Der Weg des Lichts

Anregung zur Verklärung Jesu nach Lukas

„What a wonderful world.“ – „Was für eine wunderbare Welt“, sang Louis Armstrong. Grüne Bäume, rote Rosen, der blaue Himmel – all das zeugt von der Schönheit unserer Welt. Doch wie oft nehmen wir diese Wunder wahr? In Zeiten, wo Katastrophenmeldungen unsere Aufmerksamkeit gefangen nehmen, ist es eine spirituelle Übung, das Schöne nicht zu übersehen.

In diese Spannung zwischen Schönheit und Leid spricht das Evangelium von der Verklärung Jesu. Auf dem Berg Tabor gewährte Jesus drei auserwählten Jüngern einen Blick in eine andere Wirklichkeit – sein Angesicht leuchtete, seine Kleider strahlten weiß.

Als Petrus vorschlug, drei Hütten zu bauen und dort zu verweilen, lehnte Jesus ab. Die Verklärung war kein Selbstzweck, kein spiritueller Rückzugsort. Sie sollte den Jüngern Kraft geben für den schweren Weg nach Jerusalem, zum Kreuz.

So ist es auch mit unseren spirituellen Erfahrungen: Sie sind nicht dazu da, uns aus der Welt zu entrücken, sondern uns zu stärken, damit wir in der Welt wirken können.

Das Leben spielt sich nicht auf Berggipfeln ab, sondern meist in den Ebenen und Tälern – in Familie, Beruf, Nachbarschaft. Dort sollen wir das Licht der Verklärung hineintragen.

Wie können wir das konkret tun? Durch Werke der Barmherzigkeit, die unseren Alltag „verklären“:

  1. „Du gehörst dazu“ Wenn der neue Kollege aus dem Ausland zum Grillfest eingeladen wird. Wenn die alleinerziehende Mutter in der Gemeinde will­kommen ist. In solchen Momenten wird Gottes bedingungslose Annahme spürbar.
  2. „Ich höre dir zu“ – Ein echtes Gespräch, bei dem das Smartphone beiseitegelegt wird und wir ganz präsent sind, ist heute ein seltenes Geschenk.
  3. „Ich rede gut über dich“ – Stellen Sie sich vor, wir würden einen Tag lang bewusst nur das Positive an anderen wahrnehmen und aussprechen. Nicht aus Naivität, sondern aus der tiefen Überzeugung heraus, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist, mit unentdeckten Gaben.
  4. „Ich teile mit dir“ – Teilen schafft Verbindung. In einer Welt wachsender Ungleichheit können wir fragen: Was kann ich teilen? Meine Zeit, mein Wissen, meine Ressourcen?
  5. „Ich besuche dich“ – In unserer individualisierten Gesellschaft sind viele Menschen einsam. Ein Besuch, ein Anruf kann für sie wie ein Lichtstrahl sein, der plötzlich durch verschlossene Fensterläden dringt.
  6. „Ich bete für dich“ – Im Gebet stellen wir andere in Gottes Licht. Das verändert nicht nur unsere Sicht auf sie, sondern kann auch verhärtete Haltungen in uns selbst auflösen.

Als Jesus mit seinen Jüngern vom Berg der Verklärung herabstieg, wartete bereits eine leidende Menschenmenge – unter ihnen ein Vater mit seinem kranken Sohn. Jesus ging vom Gipfelerlebnis direkt ins Tal der Not. Aber er trug das Licht in sich und brachte es zu den Menschen.

So sind auch wir gerufen, unsere Berg-Erfahrungen ins Tal des Alltags mitzunehmen. Nicht um in einer entrückten Spiritualität zu verweilen, sondern um die Welt mit dem Licht Christi zu durchdringen. In den Worten Armstrongs: „Ich höre Babies weinen. Ich sehe sie wachsen…“ – eine Hoffnung, dass jede Generation die Chance hat, etwas mehr Licht in die Welt zu tragen.

Die Verklärung Jesu erinnert uns: Es gibt mehr als das Sichtbare. Diese Gewissheit gibt uns Kraft, den Alltag zu verwandeln – Schritt für Schritt, Begegnung für Begegnung, bis unsere wunderbare Welt etwas mehr von jenem Licht widerspiegelt, das auf dem Berg Tabor für einen Moment sichtbar wurde.

P. Oliver Heck