Was bringt mir das?

Predigt zum 1. Fastensonntag – Die Versuchung Jesu (Lk 4,1-13)

„Was bringt mir das?“ – Eine Frage, die sich wie ein roter Faden durch unser Leben zieht. Sie begleitet uns beim Einkauf im Supermarkt, wo wir zögernd vor dem Regal stehen. Sie flüstert in uns, wenn wir morgens aufwachen und auf die Arbeit blicken, die vor uns liegt. Sie sitzt mit uns am Tisch, wenn wir über Beziehungen nachdenken. Eine unscheinbare Frage – und doch eine, die unsere tiefsten Wertvorstellungen offenbart.

Die Bilanz unserer Entscheidungen

„Was habe ich davon?“ In der Stille des Abends, wenn wir auf den Tag zurückblicken, berechnen wir oft unbewusst unsere persönliche Bilanz. Wir legen das Erlebte auf eine unsichtbare Waage: Hat sich der Kauf gelohnt? War die Mühe wert, was sie eingebracht hat?

Im Arbeitsbereich hat diese Frage viele Gesichter: Ist mein Gehalt angemessen für das, was ich gebe? Finde ich Anerkennung? Entspricht meine Position meinen Fähigkeiten? Bleibt mir genügend Raum für mein Leben jenseits der Arbeit? Manchmal scheint die Rechnung aufzugehen, manchmal nicht.

Im Gesundheitsbereich wird die Frage existenzieller: Was bringt mir eine Therapie an Lebensqualität? Welche Nebenwirkungen muss ich in Kauf nehmen? Welche Risiken trage ich bei einem Eingriff? Hier geht es nicht mehr um Zufriedenheit, sondern um Lebenszeit und Würde.

Und schließlich übertragen wir diese Frage auf unsere tiefsten Bindungen: Was bringt mir diese Ehe noch? Was habe ich von dieser Beziehung? Hier zeigt sich die Gefahr dieser Frage am deutlichsten – denn Liebe lässt sich nicht berechnen. Sie folgt einer anderen Logik als der des Nutzens.

Die Lebensbilanz am Horizont

Je älter wir werden, desto mehr verdichtet sich diese Frage zu einer umfassenden Lebensbilanz: „Was habe ich vom Leben gehabt?“ Eine Frau erzählte mir kürzlich ihre Geschichte – eine Geschichte der Hingabe. Schon in jungen Jahren pflegte sie ihren Bruder, später kamen die Eltern hinzu, dann die Tante. Ihr Leben war geprägt vom Dienst, von unzähligen Stunden am Bett anderer.

Mit leiser Bitterkeit in der Stimme fragte sie: „Habe ich nicht etwas versäumt? Was hatte ich eigentlich vom Leben?“ Ihre Augen wanderten zu imaginären anderen Leben: „Kaum Urlaub – vielleicht einmal im Jahr eine Woche bei Verwandten. Keine Freizeit, keine Hobbys. Und jetzt? Bin ich selbst erschöpft und krank.“

Hat diese Frau ihre Lebensmöglichkeiten verpasst? Aus christlicher Sicht lautet die Antwort eindeutig: Nein! Denn jede Geste der Liebe, jedes geduldige Warten, jede sanfte Berührung eines kranken Menschen ist wie ein kostbares Juwel, das in Gottes Hand aufgehoben bleibt. Diese Frau hat nicht weniger, sondern mehr gelebt als viele andere – wenn auch anders als es unsere Gesellschaft oft als „erfolgreich“ definiert.

Unterschiedliche Währungen des Lebens

Man könnte die Frage auch umkehren: Was hat eine Frau am Ende ihres Lebens, die beruflich erfolgreich war, regelmäßig in den Urlaub fuhr, viele Vergnügungen genoss? Gewiss kann sie sich an zahlreiche schöne Erlebnisse erinnern und dankbar zurückblicken. Niemand wird ihr diese Erinnerungen nehmen.

Aber was wiegt am Ende schwerer? Das Wissen, dass Gott die unzähligen Stunden selbstloser Hingabe an andere Menschen wahrnimmt und würdigt? Oder die Erinnerung an persönliche Freuden, die – so schön sie waren – vergänglich sind?

Es geht hier nicht um ein Entweder-Oder. Das Leben ist kein Nullsummenspiel, in dem entweder Freude oder Hingabe gewinnen kann. Aber am Ende sind es die guten Werke, die liebevollen Worte, die mitfühlenden Gedanken, die bleiben – selbst wenn sie nur in kleinen Gesten bestanden.

Der Gottesdienst jenseits des Nutzens

In dieser Logik des „Was bringt es mir?“ fragen wir manchmal auch nach dem Gewinn unseres Glaubens: Was bringt mir das Gebet? Was habe ich vom Gottesdienst? Was nützt mir die Religion?

Die ehrliche Antwort lautet oft: Manchmal spüren wir nichts davon. Manchmal bleibt der Himmel stumm. Manchmal erscheint uns der Gottesdienst als leere Routine. Und dennoch ist es gut, dem Schöpfer zu danken und sich täglich mit ihm zu verbinden.

Wer Gott verehrt, tut etwas, das keinem unmittelbaren Zweck dient. Die Anbetung Gottes ist gerade deshalb so wertvoll, weil sie die Logik des Nutzens durchbricht. Sie folgt einer anderen Grammatik: der Grammatik der Beziehung. Wie ein Kind, das seiner Mutter eine Zeichnung schenkt – nicht weil sie nützlich ist, sondern aus Liebe.

Praktizierende Christen investieren einen Teil ihrer kostbaren Lebenszeit in die gemeinsame Feier, in das persönliche Gebet, in den Dienst am Nächsten. Diese Zeit ist nicht verloren – sie verbindet uns mit dem Ursprung des Lebens selbst. Was kann es Größeres geben, als sich mit der Quelle allen Seins, mit der Fülle der Liebe zu vereinen?

Die Versuchung Jesu – eine andere Antwort

Am ersten Fastensonntag hören wir von der Versuchung Jesu in der Wüste. Der Versucher tritt an Jesus heran mit genau dieser Frage: „Was bringt es dir, Gottes Sohn zu sein, wenn du hungerst? Was nützt dir deine Gottessohnschaft, wenn du nicht davon profitierst?“

Jesus antwortet aus einer radikal anderen Logik heraus: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Er lehrt uns damit, über die Berechnung des unmittelbaren Nutzens hinauszudenken.

Was bringt es uns, zu lieben, zu beten, zu dienen? Vielleicht manchmal wenig, was wir unmittelbar spüren können. Aber es verwandelt uns langsam in Menschen, die dem Bild Gottes ähnlicher werden – in Menschen, die fähig sind, über die enge Rechnung des Eigennutzes hinauszuwachsen.

Nutzen und Liebe folgen unterschiedlichen Gesetzen. Die Fastenzeit lädt uns ein, neu zu entdecken, was es bedeutet, aus der Fülle der Liebe zu leben statt aus der Berechnung des Vorteils.

von P. Oliver Heck